Anämie und Blutuntersuchung auf Hämoglobin
Was ist Anämie?
Anämie ist eine Erkrankung, bei der die Anzahl gesunder roter Blutkörperchen oder die Verfügbarkeit von Hämoglobin unter die physiologischen Bedürfnisse des Körpers fällt.
Hämoglobin (Hb) ist ein Bestandteil auf Proteinbasis und der Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen. Es bindet Sauerstoff für den Transport im Körper und sorgt für eine ausreichende Versorgung der Gewebe und Organe mit Sauerstoff. Hämoglobin ist auch beim Transport von Kohlendioxid und Wasserstoffionen zurück in die Lunge behilflich.
Der individuelle physiologische Bedarf hängt von mehreren Faktoren wie Alter, Geschlecht, Körpergröße, Rauchverhalten und verschiedenen Stadien der Schwangerschaft ab. Der Volumenanteil der roten Blutkörperchen in einer Blutprobe wird als Hämatokrit (Hct) oder auch als gepacktes Zellvolumen (PCV – Packed Cell Volume) bezeichnet.
Blutuntersuchungen zur Bestimmung des Hämoglobin- bzw. Hämatokritwertes sind die wichtigsten Tests zur Diagnose einer Anämie. Anämie kann durch schlechte Ernährung oder verschiedene Krankheiten verursacht werden.
Wussten Sie, dass …?
Anämie ist die häufigste Erkrankung des Blutes, von der etwa 25 % der Weltbevölkerung betroffen sind
Ursachen der Anämie
Es gibt viele verschiedene Typen von Anämie, die sich in drei Gruppen einteilen lassen:
- Anämie durch Blutverlust
- Anämie durch verminderte oder mangelhafte Produktion roter Blutkörperchen
- Anämie durch Zerstörung der roten Blutkörperchen
Die häufigste Ursache für Anämie ist Eisenmangel. Das Protein Hämoglobin wird aus vier Untereinheiten gebildet, die jeweils aus einem Cofaktor, der sogenannten Hämgruppe, bestehen, in deren Mitte sich ein Eisenmolekül befindet. Eisen ist der Hauptbestandteil, der an Sauerstoff bindet, und jedes Hämoglobinmolekül ist in der Lage, vier O2-Moleküle zu transportieren.
Der größte Anteil des körpereigenen Eisens (ca. 70 %) befindet sich im Hämoglobin und im Myoglobin der Muskelzellen, während etwa 25 % als Ferritin gespeichert sind. Ein erwachsener Mann hat im Durchschnitt etwa 1.000 mg gespeichertes Eisen, was für etwa drei Jahre ausreicht. Frauen haben im Durchschnitt etwa 300 mg, was für etwa sechs Monate ausreicht.
Bei einer chronisch niedrigen Eisenaufnahme kann sich der Vorrat erschöpfen und die Hämoglobinwerte sinken. Andere Nährstoffmängel, die eine Anämie verursachen oder dazu beitragen, sind eine unzureichende Aufnahme von Folat (Folsäure), Vitamin B12, Vitamin A, Riboflavin und Kupfer.
Wussten Sie, dass …?
Eisenmangel ist die häufigste und am meisten verbreitete Ernährungsstörung weltweit und der einzige Nährstoffmangel, der auch in Industrieländern mit signifikanter Prävalenz vorhanden ist.
Eine Reihe von Krankheiten wie akute und chronische Entzündungen, Krebs, Malaria, parasitäre Infektionen, HIV und genetische Defekte, die zu abnormen Strukturen des Hämoglobins führen, wie bei der Sichelzellenanämie, oder zu einer verkürzten Lebensdauer der roten Blutkörperchen, wie bei der Thalassämie, können die Ursache für eine Anämie sein.
Die Hauptsymptome einer Anämie sind:
• Müdigkeit (das häufigste Symptom)
• Kurzatmigkeit
• Schwindel und Kopfschmerzen
• Kalte Hände und Füße
• Blasse Haut und Brustschmerzen
Bei leichter bis mäßiger Anämie können diese klinischen Symptome weniger deutlich sein. Die klinischen Auswirkungen der Anämie hängen auch von der Dauer und dem Schweregrad der Anämie ab. Bei einer akuten Anämie hat der Körper nicht genügend Zeit, um sich darauf einzustellen und entsprechend zu reagieren, daher sind die Symptome eher ausgeprägt und deutlich.
Im Gegensatz dazu ist der Körper bei einer schleichend auftretenden Anämie in der Lage, sich darauf einzustellen, indem er das Herzzeitvolumen erhöht, das Blut zu den lebenswichtigen Organen leitet, die Sauerstofffreisetzung im Gewebe verbessert und das Erythropoietin (EPO) erhöht, um die Produktion von roten Blutkörperchen anzuregen.
Anämie beeinträchtigt das Wohlbefinden, die körperliche Produktivität und die Arbeitsleistung der betroffenen Person. Sie wirkt sich negativ auf die Entwicklung und das Lernvermögen von Kindern aus. Anämie in der Schwangerschaft geht mit Mortalität und Morbidität von Mutter und Kind einher, einschließlich des Risikos von Fehlgeburten, Totgeburten, Frühgeburten und niedrigem Geburtsgewicht.
Wussten Sie, dass …?
Durch eine rechtzeitige Behandlung kann die Gesundheit der betroffenen Personen wiederhergestellt und das nationale Produktivitätsniveau in Entwicklungsländern um bis zu 20 % gesteigert werden2.
Gefährdete Personen
1. Frauen im gebärfähigen Alter sind aufgrund des Blutverlustes durch die Menstruation und des erhöhten Blutversorgungsbedarfs während der Schwangerschaft besonders anfällig für eine Eisenmangelanämie.
Das Blutvolumen der Mutter muss während der Schwangerschaft um 40-50 % zunehmen, um den Fötus zu versorgen. Der erhöhte Bedarf an Eisen und Folsäure kann oft nicht durch die normale Ernährung allein gedeckt werden. Selbst bei gesunden Frauen ohne Eisenmangel nimmt die Hämoglobinkonzentration im ersten Trimenon der Schwangerschaft ab und erreicht im zweiten Trimenon mit einer Verringerung um ca. 0,5 g/dL (5 g/L) ihren Tiefpunkt. Danach beginnen die Hämoglobinwerte im dritten Trimenon wieder zu steigen.
In Entwicklungsländern erhöht sich die Anämierate bei Frauen durch eine Kombination mehrerer Faktoren wie Mangelernährung, Infektionen und frühe sowie häufige Schwangerschaften um bis zu 75 %.
Wussten Sie, dass …?
Anämie ist für 20 % der Müttersterblichkeit verantwortlich.2
Anämie kann auch durch postpartale Blutungen (postpartale Hämorrhagie – PPH) verursacht werden – ein geschätzter vaginaler Blutverlust von mehr als 500 ml innerhalb von 24 Stunden nach einer vaginalen Geburt oder von mehr als 1.000 ml nach einer Kaiserschnittgeburt. Die Bewahrung angemessener Hämoglobin- und Hämatokritwerte durch die Einnahme von Vitamin- und Eisenpräparaten in der Zeit vor der Geburt ist wichtig für Frauen mit bekanntem Risiko für das Auftreten einer PPH. Die genaue Überwachung der Hämoglobin- und Hämatokritwerte ist ebenfalls von wesentlicher Bedeutung bei PPH, einschließlich der Beurteilung des Transfusionsbedarfs.
2. Weltweit ist die höchste Prävalenz von Anämie bei Kindern im Vorschulalter zu finden (47 %). Kinder in der Wachstumsphase haben einen steigenden Hämoglobinbedarf. Sie können unter angeborenen Fehlbildungen des Hämoglobins (z. B. Sichelzellenanämie, Thalassämie), parasitären Infektionen oder schlechter Ernährung leiden. Der höchste Anteil der von Anämie betroffenen Kinder im Vorschulalter lebt in Afrika (67,6 %), während sich die größte Zahl der Betroffenen in Südostasien (115,3 Millionen) befindet.3
3. Bei heranwachsenden Mädchen kann Anämie durch starke und lang anhaltende Menstruationsblutungen verursacht werden. Es gibt mehrere Behandlungsoptionen, darunter Eisenergänzung, um dieses Leiden in den Griff zu bekommen und die Lebensqualität der Jugendlichen zu verbessern.
4. Bei Kleinkindern kann Eisenmangelanämie eine Folge des hohen Milchkonsums sein. Milch ist zwar ein Kalzium- und Vitamin D-Lieferant, sie ist jedoch eisenarm und hemmt die Aufnahme von Eisen im Körper. Ab dem Alter von 6 Monaten sollten alle Säuglinge und Kleinkinder eisenreiche (Zusatz-)Nahrung erhalten, wie etwa Fleischprodukte und/oder mit Eisen angereicherte Nahrungsmittel. Unverarbeitete Kuhmilch sollte nicht vor dem Alter von 12 Monaten als Hauptmilchgetränk an Säuglinge verabreicht werden, und die Aufnahme sollte auf <500 ml/Tag bei Kleinkindern begrenzt werden.14
5. Bei Patienten mit Blutverlust durch eine Operation oder eine Verletzung ist im Verlauf der Behandlung eine genaue Überwachung ihres Hämoglobinspiegels zur Vermeidung einer Anämie erforderlich.
6. Bei Patienten, die entzündungshemmende und/oder blutverdünnende Medikamente (insbesondere Warfarin, Acetylsalicylsäure /ASA oder andere Antiarthritika) einnehmen , können sich Blutungen im oberen Magen-Darm-Trakt verschlimmern und zu Eisenmangel führen.
Weitere Risikofaktoren für Anämie sind chronische oder schwere Erkrankungen wie Nierenerkrankungen, Krebs, Diabetes, rheumatoide Arthritis, HIV/AIDS, entzündliche Darmerkrankungen (einschließlich Morbus Crohn), Lebererkrankungen, Herzinsuffizienz und Schilddrüsenerkrankungen sowie chronische Infektionen oder angeborene Anämie in der familiären Vorgeschichte.13 Magen-Darm-Blutungen stellen ein häufiges klinisches Problem dar und können in Form von massiven, lebensbedrohlichen Blutungen bis zu einem langsamen, oft unbemerkten chronischen Blutverlust auftreten. Dies kann zu einer Eisenmangelanämie führen. Typische Ursachen einer Magen-Darm-Blutung sind Ulzerationen, Ösophagusvarizen bzw. Krampfadern der Speiseröhre, Zwerchfellbruch, Darmpolypen oder Karzinome, Tumoren und Entzündungen des Dickdarms.
Lesen Sie unseren Artikel über gefährdete Personen
Anämieüberwachung und Blutspenden
Hämoglobintests vor der Spende sind in vielen Ländern ein fester Bestandteil der Spenderbeurteilung. Bei gesunden Spendern reicht die Menge an gespeichertem Eisen aus, um genügend Hämoglobin zu bilden und damit die bei der Blutspende entnommenen roten Blutkörperchen zu ersetzen. Wenn der Hämoglobinwert jedoch bereits vor der Spende niedrig ist, besteht die Gefahr einer Eisenmangelanämie.
Laut den meisten nationalen Leitlinien sollten Männer mit Hämoglobinwerten unter 13,5 g/dl und Frauen mit Hämoglobinwerten unter 12,5 g/dl kein Blut spenden.
Der Hauptgrund für den Ausschluss von Spendern ist ein niedriger Hämoglobinwert (Hb), wobei die Ausschlussrate je nach Einrichtung oder Region unterschiedlich ist. Bei den meisten Ausschlüssen handelt es sich um Frauen.
Wussten Sie, dass …?
Eine hochpräzise, quantitative Hämoglobinmessung kann zu einer signifikanten Reduzierung der Spenderauschlussrate führen und gleichzeitig die Sicherheit des Spenders gewährleisten.5
Behandlung der Eisenmangelanämie (IDA)
Ein wesentlicher Teil der Therapie und Prävention von Anämie ist die Aufklärung. Die IDA ist in vielen Fällen mit Armut und niedrigem sozialen Status verbunden. Nationale und von NGO unterstütze Programme zur Früherkennung von Anämie können durch die Kombination von Therapie, Prävention und Aufklärung helfen.
Nach der Erstdiagnose einer Anämie müssen dann die Ursachen bei jedem einzelnen Patienten identifiziert werden, um eine erfolgreiche Behandlung der Krankheit zu ermöglichen. Angesichts der oft multifaktoriellen Natur der Anämie kann hier ein integrierter Ansatz erforderlich sein.
Im Falle einer Eisenmangelanämie (IDA) sind eine Erhöhung der Eisenaufnahme sowie eine Verbesserung der Eisenresorption zu empfehlen. Je nach dem Grad der Anämie und den Lebensbedingungen des Patienten kann dies umfassen:
1. Abwechslungsreiche Ernährung mit eisenreichen Lebensmitteln
Es gibt zwei Arten von Eisen: Hämeisen aus tierischen Quellen und Nicht-Hämeisen aus pflanzlichen Quellen. Obwohl beide für eine gesunde Ernährung benötigt werden, wird Hämeisen in weitaus höherem Maße resorbiert als Nicht-Hämeisen, das erst umgewandelt werden muss, bevor es resorbiert werden kann.
Beispiele für eisenreiche Lebensmittel sind:
– Rotes Fleisch
– Fisch und Meeresfrüchte
– Nüsse (einschließlich Erdnussbutter) und Samen
– Hülsenfrüchte und Bohnen, insbesondere Kichererbsen, Sojabohnen und Linsen
– Brauner Reis
– Vollkorn- oder Schwarzbrot
– Grünes Blattgemüse wie Brokkoli und Spinat
– Dörrfrüchte, insbesondere getrocknete Aprikosen, Rosinen und Pflaumen
– Tofu
– Dunkle Schokolade
Andere Nahrungsbestandteile hemmen die Aufnahme von Eisen und sollten während der Mahlzeiten vermieden werden:
- Einnahme von hohen Kalziummengen (>40 mg) wie etwa Milch
- Tee, Kaffee, Pfefferminze und Kamille
2. Nahrungsmittelanreicherung
Die Anreicherung von Getreide, Weizen- und Maismehl mit Eisen, Folsäure und anderen Mikronährstoffen wird in Regionen mit einer hohen Inzidenz von IDA empfohlen, in denen diese Lebensmittel wichtige Grundnahrungsmittel sind.
Wussten Sie, dass …?
Vitamin C erhöht die Aufnahme von Eisen aus Nahrungsbestandteilen.
Wenn Sie eisen- und Vitamin C-reiche Nahrung oder ein Glas Fruchtsaft gemeinsam mit Ihren Mahlzeiten einnehmen, helfen Sie Ihrem Körper, das Eisen aus diesen Nahrungsmitteln zu verwerten.
3. Eisenergänzung
Bei chronischer IDA, bei schwangeren und stillenden Frauen und schlechten Lebensbedingungen ist die Eisenergänzung in Form von Tabletten oder anderen Präparaten mitunter die einzige Möglichkeit, eine Anämie erfolgreich zu behandeln.
Jüngste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass hohe Eisenwerte neben der positiven Wirkung auf die Hämoglobinbildung eine potenzielle Nebenwirkung auf das Immunsystem haben können und u. a. das Wachstum von Mikroorganismen fördern.6 7 Insbesondere Patienten mit beeinträchtigtem Immunsystem oder zugrundeliegenden Infektionen sind davon betroffen. Es scheint daher sinnvoll zu sein, die Eisenergänzung bei diesen Patientengruppen genau auf ihre Notwendigkeit, Dosiswirksamkeit und Nebenwirkungen zu überwachen.
Die Behandlung der IDA sollte mit der Vorbeugung und Kontrolle anderer Ernährungsmängel wie Vitamin B12, Folat und Vitamin A einhergehen.
Die Hämoglobin-Messgeräte von EKF machen Blutspenden und Anämie-Screening einfacher, erschwinglicher und zugänglicher als je zuvor.
Eisenmangel ist die häufigste und am meisten verbreitete Ernährungsstörung der Welt
Jedes Jahr werden 300.000 Babys mit schweren Hämoglobinerkrankungen geboren
Jedes Jahre werden weltweit 108 Millionen Blutspenden gesammelt
Tabelle 1.0: Hämoglobin (Hb)-Werte zur Definition von Anämie
Alters- oder Geschlechtsgruppe | Hb-Wert (g/dL) | Hb-Wert (g/L) |
Kinder unter 5 Jahren | ≤ 11,0 | ≤ 110 |
Kinder zwischen 5 und 11 Jahren | ≤ 11,0 | ≤ 115 |
Kinder zwischen 12 und 14 Jahren | ≤ 12,0 | ≤ 120 |
Nicht schwangere Frauen (ab 15 Jahren) | ≤ 12,0 | ≤ 120 |
Schwangere Frauen | ≤ 11,0 | ≤ 110 |
Männer (ab 15 Jahren) | ≤ 13,0 | ≤ 130 |
Hämoglobinmessung und Anämie-Screening
Methoden zur Hämatokrit- und Hämoglobinmessung
Es gibt verschiedenste Methoden zur Messung von Hämoglobin und Hämatokrit. Point-of-Care (POC)-Tests in der Hämatologie werden immer populärer; die weltweite Akzeptanz und die rasche Verbesserung der Technologie haben zur Entwicklung verschiedener Geräte geführt. Die Messung des Hämoglobins ist der am häufigsten verwendete Parameter in der POC-Hämatologie.8
Cyan-Methämoglobin (HiCN) – die Referenzmethode
Die Cyan-Methämoglobinmethode stützt sich auf das Prinzip der Umwandlung von Hämoglobin in Cyan-Methämoglobin durch die Zugabe von Kaliumcyanid und Ferricyanid und die anschließende Absorptionsmessung mit einem Photometer bei 540 nm gegen eine Standardlösung. (9)
Auf der Grundlage der ersten Initiativen zur Standardisierung dieser Methode von Drabkin und Austin wurde 1964 das International Committee for Standardization in Haematology (ICSH) gegründet. Das ICSH wurde mit der Ausarbeitung von Empfehlungen für die Messung von Hämoglobin beauftragt, die 1967 veröffentlicht wurden. Das CLSI (damals NCCLS) erstellte aus diesen Empfehlungen die Norm NCCLS H15-A3. Sowohl das NCCLS als auch ICSH verwenden die gleiche Methode.
Heute wird die HiCN-Methode noch immer routinemäßig in Laboratorien in ländlich geprägten Ländern eingesetzt; da sie jedoch zeitaufwändig und abhängig von cyanidhaltigen (toxischen) Substanzen ist, wird sie vorwiegend als Referenzmethode für die Kalibrierung moderner POC-Hämoglobingeräte und Laboranalysatoren verwendet.
Für die Kalibrierung wird standardisiertes, stabiles Referenzmaterial verwendet, das eine Rückführbarkeit der POC-Ergebnisse auf die internationale Referenzmethode gewährleistet.
Azidmethämoglobin-Methode nach Vanzetti
Die erste Generation tragbarer POC-Hämoglobingeräte mit Trockenreagenz-Einwegküvetten basiert auf einer Abänderung der Azidmethämoglobin-Methode nach Vanzetti (EKF Hemo Control). Das Blut wird durch Kapillarwirkung in die Küvette aufgezogen und die Wände der roten Blutkörperchen werden durch das Reagens zerstört (hämolysiert). Das freie Hämoglobin wird zu Methämoglobin oxidiert, das dann in Azidmethämoglobin, einen stabilen farbigen Komplex, umgewandelt wird. Dieser Komplex wird dann mit einem Photometer bei 570 nm und bei 880 nm zur Trübungskompensation gemessen. Eine Messung dauert je nach Hämoglobinkonzentration zwischen 15 bis 60 Sekunden. Alle Hämoglobin-Varianten werden umgewandelt (außer SulfHb) und stabile Ergebnisse werden während der zehn Minuten nach dem Füllen der Küvette erzielt, wie wiederholte Messungen zeigen. Diese Methode zeichnet sich durch eine hohe Sensitivität und Spezifität aus (9) und ist heute die gängigste und etablierteste POC-Methode zur Messung von Hämoglobin sowohl im klinischen Umfeld als auch bei der Blutabnahme.
Methoden ohne Reagens
Ein hartnäckiger Nachteil der Azidmethämoglobin-Methode ist die Empfindlichkeit des Reagens gegenüber Feuchtigkeit, insbesondere unter extremen klimatischen Bedingungen. Die Küvetten müssen in einem sorgfältig verschlossenen Behälter mit Trockenmittel aufbewahrt werden und dürfen erst unmittelbar vor der Verwendung entnommen werden. Die Haltbarkeit nach dem Anbruch des Behälters ist auf drei Monate begrenzt. Um diese Einschränkungen zu überwinden, wurden POC-Geräte mit reagenzienfreien Küvetten entwickelt. Das erste Gerät mit reagenzienfreien Küvetten war der HemoCue® 301, der 2006 auf den Markt kam. Es misst die Absorption von Vollblut photometrisch bei einer Wellenlänge von 506 nm und bei 880 nm zur Trübungskompensation. Der isosbestische Punkt der beiden wichtigsten Hämoglobinderivate, Oxyhämoglobin (HbO2) und Desoxyhämoglobin (Hb), liegt bei 506 nm. Dieser Punkt beschreibt eine Wellenlänge, bei der die Absorption von zwei oder mehr Spezies gleich ist. Der DiaSpect Hemoglobin T und DiaSpect Tm stützten sich auf eine etwas andere Technologie. Eine weiße LED blinkt kurz auf und der Lichtstrahl geht durch die Probe zu einem speziell entwickelten optischen Sensorelement. Der Sensor erfasst die Absorption der Blutprobe bei einem breiten Wellenlängenbereich, um ein Gesamtbild des Absorptionsspektrums zu erhalten. Eine patentierte Lichtfalle verhindert, dass Streulicht zum Sensor gelangt. Dies ist unerlässlich, um bei der Messung von nicht-hämolysiertem Blut genaue Ergebnisse zu erzielen. Weitere Vorteile neben der Verwendung reagenzienfreier Küvetten mit langer Haltbarkeit (bis zu 2 1/2 Jahre) sind die einfache Handhabung, eine schnelle Messzeit von nur etwa einer Sekunde und eine lange Standzeit des integrierten Akkus von 40 Tagen im Einsatz.
Nicht-invasive Methoden
Seit kurzem sind nicht-invasive Methoden auf dem Markt erhältlich, die sich auf die Nahinfrarot-Spektroskopie stützen, um das spektrale Muster von Hb in einem Blutgefäß zu identifizieren und daraus die Hb-Konzentration zu messen.
Andere nicht-invasive Geräte arbeiten mit Weißlicht und erfassen die Daten der reflektierten Übertragung, um die Hb-Konzentration in Gewebekapillaren zu messen, oder mit Lichtabsorption bei mehreren Wellenlängen, um die Hb-Konzentration zu berechnen. Der Sensor wird mit einem Fingerclip oder Ring angebracht.
Die aktuellen nicht-invasiven Hämoglobin-Monitore haben zwar den Vorteil, dass keine Fingerpunktion erforderlich ist und eine höhere Messfrequenz im klinischen Umfeld möglich ist, in der Literatur besteht jedoch Uneinigkeit hinsichtlich ihrer Präzision und Genauigkeit. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Patientenbewegungen, Nagellack, Hautfarbe oder Umgebungslicht die Messung beeinflussen.10
Lesen Sie unseren vollständigen Leitfaden zu Hämoglobinmessmethoden
Andere Methoden zur Hämatokrit- und Hämoglobinmessung
Visuelle Methoden:
Methode nach Sahli
Das manuelle Sahli-Hämoglobinometer besteht aus einer Vergleichslösung, einem Hämoglobinröhrchen, einer Hämoglobinpipette und einem Rührer.
Hämoglobin wird durch die Wirkung von HCI in saures Hämatin umgewandelt. Die saure Hämatinlösung wird so lange verdünnt, bis ihre Farbe genau mit der Vergleichslösung übereinstimmt. Die Hämoglobinkonzentration wird direkt aus dem Kalibrierröhrchen abgelesen. In Entwicklungsländern wie Indien ist die 1902 erfundene Sahli-Methode immer noch die am häufigsten verwendete Methode zur Hämoglobinbestimmung. Die Methode ist einfach und kostengünstig, jedoch eher ungenau. Die Farbentwicklung ist instabil und muss nach 10 Minuten Standzeit abgelesen werden. Die Methode leidet unter der Variabilität zwischen den Untersuchern, der manuelle Pipettiervorgang macht sie fehleranfällig und zudem gibt es keinen internationalen Standard.9
WHO-Farbskala (HbCS)
Die HbCS beruht auf dem Vergleich der Farbe eines Blutstropfens, der auf einem Teststreifen aus speziellem Chromatographiepapier absorbiert wird, mit den Standardfarben auf einer laminierten Karte, die in Schritten von 2 g/dL (20 g/L) angezeigt werden.
Die Kosten pro Test sind sehr niedrig und außer den Materialien für die Entnahme der Blutprobe sind keine Geräte erforderlich. Der visuelle Vergleich ist jedoch anfällig für Variabilität zwischen den Untersuchern, und in einigen Studien wurde eine geringe Sensitivität festgestellt.9
Kupfersulfat (CuSO4)
Die Kupfersulfatmethode dient in erster Linie dazu, eine bestimmte Hb-Konzentration für die Blutspende sicherzustellen. Sie basiert auf der hämoglobinabhängigen Schwerkraft des Blutes. Man lässt einen Blutstropfen in eine Kupfersulfatlösung mit einem spezifischen Gewicht fallen, das jenem von Blut mit einer Hämoglobinkonzentration in der Höhe des Grenzwertes entspricht, z. B. 12,5 g/dL (125 g/L). Wenn der Blutstropfen innerhalb einer akzeptablen Zeitspanne untergeht, ist der Spender geeignet. Wenn der Blutstropfen an der Oberfläche schwimmt oder zu lange braucht, um unterzugehen, wird der Spender zurückgestellt.
Die CuSO4-Methode weist eine Reihe von Nachteilen auf: mangelnde Qualitätskontrolle, Probleme bei der Entsorgung der biogefährdenden Lösungen und falsche Ergebnisse bei Personen mit sehr hohen Serumproteinkonzentrationen. Darüber hinaus gibt es Bedenken, dass die CuSO4-Methode bei Spendern, insbesondere bei Frauen, zu einer fälschlich hohen Ausschlussrate führen könnte.8 Es ist in vielen Einrichtungen üblich, Spender, die den CuSO4-Test nicht bestanden haben, mit einer quantitativen Messung erneut zu testen.
Quantitative Methoden:
Hämatologie-Automat / Großes Blutbild
Hämatologie-Automaten bieten eine hohe Präzision, ermöglichen einen hohen Probendurchsatz und analysieren verschiedene Typen von roten und weißen Blutkörperchen (3-, 5- oder 7-Part-Differentialblutbild), Blutplättchen, Hämoglobin- und Hämatokritkonzentrationen in ein- und derselben Blutprobe.
Die Anschaffungskosten für derartige Automaten sind jedoch hoch und sie sind möglicherweise nicht für den Einsatz außerhalb einer Laborumgebung geeignet. Für den Betrieb von Hämatologie-Automaten sind entsprechend qualifiziertes Laborpersonal, regelmäßige Wartungen und stabile Klimabedingungen erforderlich. In den meisten Fällen muss die Probe an das Labor geschickt werden und somit dauert es länger, bis die Ergebnisse verfügbar sind.
Blutgasanalysegerät (BGA)
Blutgasanalysatoren dienen zur Messung einer Kombination aus pH-Wert, Blutgas (d. h. pCO2 und pO2), Elektrolyten und Metaboliten aus Vollblutproben, hauptsächlich aus arteriellem Blut.
Sie werden häufig auf der Intensivstation, Entbindungsstation, im OP-Saal und der Notaufnahme eingesetzt. Dank technischer Verbesserungen wie gebrauchsfertige Sensorkassetten und Lösungspacks sind BGA um einiges praktischer in der Anwendung geworden, sie müssen jedoch nach wie vor gewartet werden. Seit kurzem sind Handgeräte mit Einwegkassetten erhältlich, die Kosten pro Test sind jedoch im Vergleich zu einem POC-Hämoglobinmessgerät hoch – wenn es primär um Hb geht. Außerdem müssen die Kassetten zum Teil kühl gelagert und vor dem Test vorgewärmt werden.
Mikro-Hämatokrit-Zentrifuge
Mikro-Hämatokrit-Zentrifugen dienen zur Bestimmung des Hämatokritwertes im Blut, dem Anteil der roten Blutkörperchen in Relation zum gesamten Blutvolumen, ausgedrückt als Dezimalwert, Bruchteil oder Prozentsatz. Die Diagnose einer Anämie oder die Bestimmung der Spendereignung auf der Grundlage des Hämatokritwertes ist in vielen Ländern gängige Praxis. Eine Blutprobe wird in einer Glaskapillare zentrifugiert und die abgesetzten roten Blutkörperchen und Plasmasegmente werden gemessen. Bei einigen Anwendungen wird das Plasma aus der Kapillare zur weiteren Analyse verwendet, z. B. für Proteine vor der Plasmaspende.
Anhand eines Umrechnungsfaktors x 3 kann der ungefähre Hämatokritwert aus einer Hämoglobinmessung einer gesunden Person und umgekehrt berechnet werden.
Faktoren, die die Messung beeinflussen
Die Schwankungen der berichteten Hämoglobinwerte können durch eine Reihe physiologischer Faktoren und durch Fehler bei der Probenahme verursacht werden. Die Festlegung eines standardisierten Verfahrens bei der Hämoglobinmessung ist sehr wichtig.
Physiologische Faktoren
Geschlecht | Bei der Fingerpunktion ist der erwartete venöse Hb-Wert bei Frauen um 0,5 bis 0,8 g/dL niedriger als bei Männern. 11 |
Probenquelle | Kapillarblut weist einen höheren Hb-Wert als venöses Blut auf, insbesondere bei Frauen und Männern mit schwerem Eisenmangel (median +0,67 g/dL bzw. +6,7 g/L
bei Frauen mit Eisenmangel bis -0,1 g/dL bzw. -1 g/L bei Männern mit Eisenmangel). 11 Venöses Blut hat eine etwas höhere Hb-Konzentration als arterielles Blut. |
Punktionsstelle | Früher wurde die Blutprobe am Ohrläppchen entnommen, es hat sich jedoch gezeigt, dass die Werte höher waren als bei venösem Blut und Fingerpunktion. Die Blutentnahme mittels Fingerpunktion kommt den Hb-Werten von venösem Blut näher.12 |
Staubinde | Die Verwendung einer Staubinde länger als 30 Sekunden erhöht den venösen Hämoglobinwert. 11 |
Körperposition | Blutproben von stehenden Personen weisen einen höheren Hb-Wert als Proben von sitzenden oder liegenden Personen auf. So lässt sich etwa ein Anstieg der venösen Hämoglobinwerte um bis zu 9 % nach 15 Minuten Stehen bzw. eine Abnahme um 2,4 – 2,7 % beim Übergang von einer stehenden in eine sitzende Position feststellen. 11 |
Tageszeitliche Schwankungen | Der Hb-Wert ist morgens tendenziell höher und nimmt im Laufe des Tages ab. 11 |
Dehydrierung | Der Verlust von Plasma, etwa durch Schwitzen oder unzureichende Flüssigkeitsaufnahme, verursacht erhöhte Hämatokrit- und Hämoglobinwerte. |
Höhenlage | Die normale Hämoglobinkonzentration steigt in großen Höhen (>1.500 m) an, um die geringere Sauerstoffkonzentration in der Luft auszugleichen. Dieser Effekt wird mit zunehmender Höhe immer stärker und sollte bei der Auswertung der Hämoglobinergebnisse kompensiert werden.1 |
Bei der Durchführung von vergleichenden Hämoglobinbestimmungen für Studien oder Evaluierungen sollten die Proben unter gleichen Bedingungen entnommen werden.
Entnahme von Kapillarblut
Sowohl die Genauigkeit als auch die Zuverlässigkeit von Hämoglobinmessungen können durch präanalytische Fehler beeinträchtigt werden. Die Befolgung eines standardisierten Verfahrens sowie die Schulung und Praxis der Bedienperson sind unerlässlich für korrekte Ergebnisse, insbesondere bei der Entnahme von Kapillarblut (Fingerpunktion).
Mögliche Fehlerquellen:
Auswahl der Lanzette | Die Lanzette muss ausreichend tief eingestochen werden, um einen angemessenen Blutfluss sicherzustellen (je nach Hautdicke sind 1,85 bis 2,25 mm empfohlen). |
Auswahl der Punktionsstelle | Mittel- oder Ringfinger, idealerweise der nicht-dominanten Hand, da diese im Allgemeinen weniger schwielig und weniger schmerzempfindlich als Zeigefinger oder Daumen sind. Der Daumen sollte zudem aufgrund seines Pulses (Daumenarterie) vermieden werden. Am kleinen Finger ist der Abstand zwischen der Hautoberfläche und dem Knochen zu gering. Die Punktion sollte etwas außerhalb der Mitte des zentralen, fleischigen Teils der Fingerkuppe erfolgen – in der Nähe der Seite, aber nicht ganz auf der Seite des Fingers. Die Hand muss warm und entspannt sein. Der Patient darf keinen Ring am Finger tragen, da dieser die Durchblutung behindern kann. |
Reinigung und Desinfektion | Nach der Reinigung und Desinfektion muss die Punktionsstelle vollständig getrocknet werden. Reste der Alkohollösung verdünnen das Blut und führen zu falsch-niedrigen Messwerten. |
Punktion | Der Finger sollte von der Hand der Bedienperson abgestützt werden. Er kann vor und nach der Punktion sanft massiert werden, um die Durchblutung anzuregen. Ein leichter Druck im Moment der Punktion sorgt für eine gute Penetration. |
Kapillarblutfluss | Die ersten zwei bis drei Tropfen Blut sollten mit einem sauberen Mulltupfer weggewischt werden. Eine Verdünnung und Gerinnung des Blutes muss vermieden werden, da dies zu falschen Ergebnissen führt. Ein guter Kapillarblutfluss wird normalerweise innerhalb von 30 bis 45 Sekunden nach der Punktion beobachtet. Der dritte oder vierte Tropfen Blut sollte zum Füllen der Küvette für die Hämoglobinmessung verwendet werden. Der Tropfen muss groß genug sein, um die Küvette vollständig zu füllen. Eine unvollständige Füllung oder Luftblasen führen zu falschen Ergebnissen. Der Finger darf nicht zu stark gequetscht bzw. „gemolken“ werden, um einen größeren Tropfen zu bilden, da dadurch die Probe mit interstitieller Flüssigkeit verdünnt wird. |